Gleich in mehreren Verfahren in den USA gibt es Fortschritte, die in eine Aufspaltung von Big-Tech-Konzernen münden können. Neben einem möglichen Verkauf von Googles mächtigen Werbeplattformen steht auch im Verfahren zur Google-Suche ein Verkauf vom Browser Chrome im Raum. Und auch zu Meta läuft ein Verfahren, das im Verkauf von Instagram und WhatsApp enden könnte. Wo stehen die Verfahren, wie könnte es weitergehen und was bedeutet das für digitale Märkte?
Das US-Urteil zu Werbeplattformen und warum die EU endlich nachziehen sollte
Am 17. April erging das Urteil: Google hat eine Monopolstellung für relevante Teile der Online-Werbung hat. Darin stellt der Richter fest, dass es seine Monopolmacht ausgenutzt hat, und zwar zu Lasten von Verlegern als Kunden, des Wettbewerbs und letztlich der Verbraucher*innen als Nutzende von Information. Es hat überhöhte Gebühren für die Vermittlung von Online-Werbung verlangt, sich selbst Sonderrechte verliehen und andere Marktteilnehmer behindert.
In zwei der drei untersuchten Märkte hat Google eine solche Monopolstellung. In einem nächsten Schritt muss Google vorstellen, wie es diese zu beseitigen plant, und das auch schon in den nächsten Wochen. Die naheliegende Lösung ist, dass es die beiden Monopolplattformen verkauft, nämlich DFP (kurz für DoubleClick for Publishers, also der Plattform für die Anbieter von Werbeflächen) und AdX (die Plattform, auf der Anbieter und Nachfrager in Auktionen zueinander finden). Dadurch würde Googles Position auf den Werbemärkten erheblich geschwächt und es wäre für andere Unternehmen einfacher, sich als Wettbewerber zu etablieren.
Auch in der EU steht weiterhin die Entscheidung in der Untersuchung der Europäischen Kommission zu Werbemärkten aus, obwohl es schon zu Beginn des Jahres erwartet worden war. Es liegt nahe, dass Unsicherheiten rund um das Verhalten der US-Regierung dazu beitragen, dass die Entscheidung sich verzögert. Doch wie Nobelpreisträger Daron Acemoglu fordert, ist das US-Urteil eine ideale Vorlage, um in der EU nachzuziehen. Auch Rebalance Now-Vorstand Uli Müller spricht sich für den Verkauf der beiden Werbeplattformen aus und Tech Economy Lead Aline Blankertz kommentiert die aktuellen Ereignisse in einem Kurzbeitrag beim Deutschlandfunk.
Das Verfahren zur Google-Suche läuft weiter
Das andere große US-Verfahren betrifft die Google-Suche. Dass Google auch dort eine Monopolstellung hat, hat das Gericht bereits festgestellt. Die Anhörungen in der letzten Woche haben zudem zutage gebracht, dass Google den Smartphonehersteller Samsung für die voreingestellte Verwendung von Gemini bezahlt hat. Das heißt, die umstrittene Praxis, dass Google andere Unternehmen für die Voreinstellung der Google-Suche bezahlt hat, hat sich parallel zur Verschiebung hin zur Suche mit Sprachmodellen auch verschoben.
Im nächsten Schritt könnte das Gericht verschiedene Eingriffe vorschreiben, beispielsweise den Verkauf von Chrome und das Teilen von Suchergebnisdaten. Ersteres ist eine Kernforderung des klagenden Justizministeriums. Eine Entscheidung wird es erst in den nächsten Monaten geben.
Auch Meta könnte bald Käufer suchen müssen
Daneben laufen aktuell Anhörungen zu Meta und seinen Käufen von Instagram und WhatsApp. Damit soll es bewusst aufstrebende Wettbewerber ausgeschaltet haben. Heute jedenfalls stehen die Plattformen natürlich nicht im Wettbewerb, sondern sind miteinander eng verzahnt und teilen untereinander Daten.
Hätte das anders laufen können, wenn zum Beispiel Google, Apple oder Twitter Instagram gekauft hätten, wie in den Anhörungen dargestellt wird? Gerade im Bereich der sozialen Medien ist Regulierung unerlässlich, neben der Machtbeschränkung durch Entflechtung. Aline Blankertz erklärte letzte Woche im Deutschlandfunk, wie digitale Plattformen grundlegend anders gedacht werden müssen, um bestimmte Probleme wie Hass und Hetze in sozialen Netzwerken zu adressieren.
Entscheidung: Abspalten – und dann?
Entflechtungen sind ein wichtiges Element, um die Macht der Tech-Konzerne zu kontrollieren. Bei ihnen gibt es auch einiges zu berücksichtigen, damit sie die erwünschte Wirkung haben.
Ein wichtiger Punkt ist, wer die Kontrolle übernimmt. Natürlich gilt es zu vermeiden, dass neue Interessenkonflikte entstehen oder Macht an derer Stelle gestärkt wird. Beispielsweise hat Amazon Interesse daran bekundet, Tiktok zu kaufen, wenn es vom chinesischen Mutterkonzern Bytedance losgelöst wird (aktuell hängt das Verfahren wieder in der Luft, weil die chinesische Regierung den Bedingungen des Verkaufs widerspricht). Auch zeigt sich OpenAI interessiert an Chrome, wenn es zum Verkauf stehen sollte. Um solche jedenfalls wahrscheinlich wenig wettbewerbsförderlichen Übernahmen zu vermeiden, müssten Gerichte bei einer Entflechtung auch anordnen, wer von einem möglichen Verkauf ausgeschlossen werden sollte (was gegebenenfalls auch in einem Fusionskontrollverfahren überprüft würde) beziehungsweise welchen Anforderungen Käufer genügen müssen. Eine Einschränkung des Käuferkreises verringert möglicherweise den Kaufwert, doch das ist im Sinne des Wettbewerbs. Denn gerade wettbewerbsfeindliche Praktiken sind oft besonders profitabel.
Darüber hinaus ist weiterhin Regulierung nötig, um auch die verbleibende Macht und ihre Auswirkungen einzuhegen. Beispielsweise ist im US-Such-Verfahren auch im Gespräch, dass Google verpflichtet würde, Suchmaschinendaten zu teilen. Das ergibt weiterhin Sinn. Eine solche Vorgabe ist bereits Teil des Digital Markets Act der EU, hat aber dort noch keine nennenswerte Wirkung entfaltet, weil die Daten laut Marktteilnehmern zu aggregiert sind, um möglichen Wettbewerbern zu nützen. Es ist also immer auch wichtig, Umgehungsstrategien oder zu lasche Umsetzung möglichst weitgehend auszuschließen.
Vieles ist noch offen: Könnte Trump sich doch noch bei den US-Verfahren einschalten? Könnten Google oder Meta schwächere Maßnahmen vorschlagen, um zu einer außergerichtlichen Einigung zu kommen? Doch eins ist klar: Aktuell gehen die Verfahren in eine begrüßenswerte Richtung. In einem ersten Schritt würde sich vor allem viel für Verleger ändern, die sich einen größeren Anteil der Werbeeinnahmen erhoffen. Für Nutzende könnte es zum Beispiel mehr Auswahl an Suchmaschinen geben, die auf einer ähnlich breiten Datenbasis wie Google arbeiten, und soziale Netzwerke, die jedenfalls etwas weniger Daten untereinander teilen.
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