Amazon ist das fünftgrößtes Unternehmen der Welt und dominiert den Online-Handel. Ein Gutachten im Auftrag von LobbyControl analysiert die Monopolmacht von Amazon und kartellrechtlichen Instrumente gegen diese Machtkonzentration. Es kommt zum Schluss, dass nur die Aufspaltung von Amazon in mehrere Geschäftsteile das Machtproblem löst.
Amazon ist der dominante Online-Marktplatz in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Für viele kleine und mittelständische Unternehmen führt an Amazon kein Weg mehr vorbei, wenn sie potentielle Käufer/-innen ansprechen wollen. Sie sind von Amazon und seinem Geschäftsgebaren abhängig. Amazon nutzt seine Monopolstellung im Online-Handel, um in immer weitere Geschäftsbereiche wie Logistik, Cloud-Services und Unterhaltung vorzustoßen. Diese Expansion stützt wiederum die Dominanz im Online-Handel. Der Konzern nutzt seine Macht systematisch, bestimmt die Spielregeln auf seiner Plattform und verschafft sich dadurch Vorteile. Ein fairer Wettbewerb ist kaum noch möglich.
Aufspaltung als rechtlich mögliche Lösung
Das Gutachten kommt zum Schluss, dass nur die Aufspaltung von Amazon in mehrere Geschäftsteile das Machtproblem löst. Die bisherigen Versuche, das problematische Verhalten von Amazon zu kontrollieren, sind nicht effektiv genug. Sie greifen zu kurz, um Unternehmen und Gesellschaft aus der Abhängigkeit des Tech-Giganten zu befreien. Eine Aufspaltung von Amazon ist daher nötig, um die Monopolmacht des Konzerns zu begrenzen und Schaden von der Demokratie abzuwenden.
Das Rechtsgutachten schlägt vor, Amazon entlang der Geschäftsbereiche aufzuspalten in Einzelhandel, Dienstleistungen gegenüber Drittverkäufern (Marketplace), Cloud (Amazon Web Services), Smart Home Devices (Echo & Alexa) und Logistik. Eine solche Aufspaltung sei nach deutschem Kartellrecht möglich. Die jüngste Kartellrechtsreform der Ampelkoalition (GWB 11) lässt eine Aufspaltung infolge einer Sektoruntersuchung zu. Sie ist im November in Kraft getreten.
Amazon nutzt Monopolmacht aus
Eine Aufspaltung ist nötig, weil Amazon seine Monopolstellung massiv zu seinen eigenen Gunsten nutzt. Das Gutachten führt das im Detail aus: der Konzern verschiebt Gewinne aus anderen Geschäftsbereichen, um Konkurrenten zu unterbieten, verlangt hohe Gebühren von Unternehmen, um ihre Produkte auf der Plattform anbieten zu können, schließt unliebsame Konkurrenten einfach von seiner Plattform aus oder kopiert deren erfolgreichste Produkte. An der Plattform von Amazon führt mittlerweile kein Weg mehr vorbei. Kleine und mittelständische Unternehmen sind von ihr abhängig. Sie und ihre Beschäftigten leiden unter der aggressiven Marktmacht von Amazon.
Auch die eigenen rund 28.000 Beschäftigten in Deutschland behandelt Amazon schlecht und überwacht sie bei ihrer Arbeit. Der Konzern vermeidet zudem systematisch Steuern, indem er sich in den Ländern mit den niedrigsten Steuerquoten niederlässt. In Europa hat der Konzern seinen Sitz im Niedrigsteuerland Luxemburg. Dabei ist Deutschland sein wichtigster Markt in der EU. Auch bei Datenschutz und Nachhaltigkeit gibt es Probleme, so zerstört Amazon in großem Umfang zurückgesendete Ware.
Der Konzern kann sich das leisten, weil er so viel Macht hat und niemand ihn effektiv an seinen missbräuchlichen Praktiken hindert. Die Konkurrenz auf dem Markt kann nicht dagegen vorgehen, kleinere Konkurrenten werden entweder von der Plattform verdrängt oder aufgekauft. Politik und Kartellbehörden haben zwar einzelne Maßnahmen gegen Amazon angestoßen, aber bisher die Macht der Plattform nicht effektiv und umfassend beschränkt. Amazon nutzt seine starke Stellung, um seine Macht weiter auszubauen und mittels Lobbymacht gegenüber der Politik zu verteidigen.
Das Bundeskartellamt ist gefordert
Das Bundeskartellamt hat es nun in der Hand, das Kartellrecht einzusetzen. Im Fall von Amazon sollte es jetzt handeln und eine Sektoruntersuchung im Online-Handel einleiten und damit die Voraussetzung für eine Aufspaltung von Amazon zu schaffen. Andernfalls nehmen Gesellschaft und Demokratie weiter Schaden.
Das Gutachten argumentiert, dass die Argumente gegen eine Aufspaltung von Amazon wie hohe Kosten oder schwierige Umsetzbarkeit nicht greifen. Tatsächlich kann der Versuch, das Verhalten von Amazon über Auflagen zu kontrollieren, sogar teurer und aufwendiger sein. Eine Entflechtung von Amazon sei daher zweckmäßig.
Entflechtungen sollten wieder als legitimes und notwendiges Instrument der Kartellpolitik verstanden werden. Das heißt nicht, dass Entflechtungen Regulierung überflüssig machen und alleine alle Probleme digitaler Plattform-Macht beheben. Es braucht eine Kombination aus Regulierung wie dem Digital Markets Act und strukturellen Maßnahmen wie Entflechtungen, um die Macht der großen Tech-Konzerne zum Nutzen der Allgemeinheit zu begrenzen. Die Machtkonzentration bei einzelnen Tech-Firmen wie Amazon oder Google ist ein grundlegendes Problem für unsere Demokratie, das wir strukturell angehen müssen.
Foto: Jennifer Marke