Die Monopolkommission hat begonnen, die Marktstrukturen im Lebensmittel-Sektor und dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zu untersuchen. Die Untersuchung hatte die Bundesregierung als Reaktion auf die Bauernproteste angeregt. Ein erstes Vorgutachten („Policy Brief“) erkennt Anzeichen von Wettbewerbsproblemen und Marktmacht. Bei politischen Maßnahmen zur Einhegung dieser Marktmacht zeigt sich die Monopolkommission sehr zurückhaltend bzw. ablehnend. Allerdings erscheint diese Haltung teilweise nicht überzeugend begründet. Es ist gut, wenn die Monopolkommission die Konzentration und Nachfragemacht im LEH und Lebensmittel-Sektor weiter untersucht. Aber es ist merkwürdig, dass sie vor der eigentlichen Untersuchung bereits solche inhaltlichen Festlegungen veröffentlicht. Es bleibt zu hoffen, dass der weitere Prozess offen genug gestaltet wird.
Anzeichen für Wettbewerbsprobleme und Marktmacht
Die Monopolkommission kommt in ihrem Policy Brief zu dem Schluss, dass es Anzeichen für Wettbewerbsprobleme und Marktmacht in den Lieferketten für Lebensmittel gibt. Indizien hierfür sieht sie unter anderem in der hohen, weiter steigenden Konzentration des LEH und einem weiter sinkenden Anteil der Landwirtschaft an den Erlösen für Lebensmittel. Außerdem steigen die landwirtschaftlichen Produktionskosten schneller als die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte. Die Analyse bleibt dabei sehr knapp. So geht das Papier z.B. nicht auf die Vertikalisierung des LEH ein, also auf die Tendenz, dass Discounter und Supermarktketten wie Edeka verstärkt selbst in die Produktion von Lebensmitteln einsteigen. Sie haben in den letzten Jahren z.B. Mineralwasser-Quellen, Safthersteller oder Nudelfirmen aufgekauft. Das steigert ihre Verhandlungsmacht weiter.
Bei den Landwirten geht die Monopolkommission kurz auf den Rückgang der Höfe ein (“Höfesterben”). Hier zeigt sich der Blick der Monopolkommission auf Konzentrationsprozesse: Sie schreibt, dass dieser Konzentrationsprozess auch mit “Effizienzvorteilen” verbunden sein kann. Außerdem könnten größere Höfe ein stärkeres Gegengewicht gegen marktmächtige Akteure in der Lebensmittelindustrie und dem Handel bilden. Allerdings ist Effizienz als Rechtfertigung für Marktkonzentration durchaus umstritten. Es erscheint zudem fraglich, inwieweit die Vergrößerung der durchschnittlichen Hoffläche von 55,8 auf 63,1 Hektar die Machtungleichgewichte zu großen Lebensmittelherstellern und LEH ernsthaft reduzieren kann. Das dürfte die Macht und Größe dieser Unternehmen und den Abstand zu den meisten Bauernhöfen deutlich unterschätzen.
In dem zweiten Teil beschreibt der Policy Brief kurz bereits bestehende Maßnahmen zur Stärkung von Landwirtinnen und Landwirten: zum einen die Möglichkeiten, ihre Erzeugnisse gemeinsam zu vermarkten, (Anbietermacht) und die Beschränkung der Nachfragemarkt vor allem der Supermarktketten durch die Untersagung missbräuchlicher und unfairer Handelspraktiken etwa in dem Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (AgrarOLkG).
Defensive Haltung zu politischen Maßnahmen
Bei der Frage zusätzlicher Maßnahmen im dritten Teil bleibt die Monopolkommission sehr defensiv: Neue Eingriffe sollten nur behutsam und auf klarer “Tatsachengrundlage” vorgenommen werden. Eine gute Begründung politischer Eingriffe ist grundsätzlich sinnvoll, ebenso die Anmerkung, dass dabei auch unerwünschte Nebenwirkungen bedacht werden sollten.
Allerdings sollte bei Maßnahmen gegen Machtungleichgewichte noch ein anderer Aspekt berücksichtigt werden: Marktmächtige Akteure können ihren Einfluss nutzen, um Regulierungen abzuschwächen oder zu umgehen. “Behutsam” ist deshalb nicht immer das richtige Auswahlkriterium. Eingriffe sollten vor allem effektiv sein und das kann erfordern, dass sie weitgehend sind. Wenige, wirkungsvolle Eingriffe können besser sein, als mehrere behutsame und von Marktmächtigen abgeschwächte Maßnahmen.
Auf der konkreten Ebene stellt sich der Policy Brief recht explizit gegen aktuell diskutierte Maßnahmen. Dabei kann man die Frage stellen, ob das eine sinnvolle Positionierung zu Beginn einer Untersuchung ist und worin diese ablehnende Haltung begründet ist. Die Monopolkommission bremst z.B. bei der Weiterentwicklung des Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (AgrarOLkG). Dieses Gesetz soll unfaire Handelspraktiken im Lebensmittel-Sektor unterbinden. Aktuell läuft dazu eine Debatte um eine Nachbesserung des Gesetzes. Dazu hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im November einen Evaluierungsbericht vorgelegt.
Diesen wischt der Policy Brief als nur begrenzt aussagekräftig beiseite, da das Gesetz erst seit Juni 2022 in Kraft sei und es erst fünf Verfahren gegeben habe. Dabei bleibt unerwähnt, dass es beim AgrarOLkG um eine Umsetzung einer europäischen Richtlinie geht und auch Erfahrungen aus anderen Ländern in die Debatte einfließen. Die geringe Zahl an Verfahren zu unfairen Handelspraktiken ist eher ein Grund für Nachbesserungen: Sie ist Ausdruck der Angst vieler Akteure vor der Macht der Supermärkte und Discounter und zeigt, dass Beratungsangebote wie das österreichische Fairness-Büro sinnvoll sein können.
Die Positionierung der Monopolkommission zu unfairen Handelspraktiken ist bemerkenswert, weil das Thema in dem eigenen analytischen Teil nicht angesprochen wird. Dabei ist das häufige Vorkommen unfairer Handelspraktiken eng mit der Marktkonzentration des LEH verbunden.
Weitere Untersuchung geplant
Die Monopolkommission strebt eine weitergehende Untersuchung der Lebensmittellieferketten an. Diese soll noch in der laufenden Legislaturperiode fertiggestellt werden. Dabei wird sie sich auch mit der Frage beschäftigen, ob sie dem Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung für Lebensmittel empfiehlt. Das Bundeskartellamt ist allerdings in seiner Entscheidung über Sektoruntersuchungen frei.
Es ist sinnvoll, dass die die Monopolkommission sich des Themas annimmt und Machtkonzentration im Lebensmittel-Sektor weiter unter die Lupe nimmt. An erster Stelle steht dabei die dominante Stellung der vier großen Supermärkte und Discounter (Aldi, Edeka, Lidl, Rewe). Aber auch bei der Lebensmittel-Industrie und verarbeitenden Betrieben gibt es an vielen Stellen eine hohe Konzentration. Mehr Analysen über Zusammenspiel dieser beiden Ebenen sind wichtig – auch zu möglichen Kaskaden-Effekten, bei denen der Preisdruck nach unten an Landwirtinnen und Landwirte weitergegeben wird.
Offenheit und Austausch sinnvoll
Zugleich ist klar, dass die Untersuchung der Monopolkommission nur ein Baustein in der politischen Antwort auf Bauernproteste und hohe Lebensmittel-Kosten sein kann. Es ist fraglich, ob eine so stark ablehnende Positionierung konkreter Maßnahmen vor Beginn der eigentlichen Untersuchung hilfreich ist. Hoffentlich wird die weitere Untersuchung offen geführt und Maßnahmen nicht vorschnell ausgeschlossen.
Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, die erste Kurz-Analyse mit Hypothesen und möglichen Leitfragen der Untersuchung zu verbinden statt mit einer politischen Positionierung. Damit hätte die Monopolkommission in einen Austausch mit unterschiedlichen Marktakteuren, Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit treten können. Das wäre für die weitere Untersuchung hilfreich – auch für die Frage, wo die Monopolkommission angesichts knapper Ressourcen ihre Schwerpunkte setzen sollte. Die Frage von Kaskaden-Effekten könnte ein lohnenswerter Fokus sein.
Zu unfairen Handelspraktiken gibt es dagegen eine lange und umfangreiche Debatte und eine breite Evidenzbasis. Hier ist es sinnvoll, dass der politische Prozess weitergeht. Aus zivilgesellschaftlicher Sicht gibt es klaren Nachbesserungsbedarf beim Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (AgrarOLkG). Zusammen mit der Initiative Konzernmacht beschränken hat Rebalance Now eine Stellungnahme vorgelegt, die Nachbesserungen beim AgrarOLkG, eine Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts und ein Gutachten der Monopolkommission fordert. Alle drei Ansätze sind sinnvoll und sollten parallel verfolgt werden.
Weitere Informationen
- Stellungnahme der Initiative Konzernmacht beschränken „Preisdruck der Supermärkte gefährdet die Landwirtschaft: Bundeskartellamt muss gegen Monopolisierung vorgehen!“ (pdf)
- DUH-Hintergrundpapier zu Supermarktmacht und unfairen Handelspraktiken (pdf)
- Monopolkommission: Policy Brief zum Wettbewerb in der Lebensmittellieferkette
Foto von Traktoren bei Bauernprotesten in Berlin: Membeth, Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication. (eigene Montage)