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Monopolkommission untersucht Macht der Supermärkte

von | 12.06.2025

Stark gestiegene Lebensmittel-Preise belasten viele Menschen. Zugleich stehen Bäuerinnen und Bauern unter hohem Preisdruck, viele Hersteller beklagen unfaire Handelspraktiken. Ein wichtiger Faktor für die Probleme ist die wachsende Konzentration im Lebensmittel-Sektor, besonders im Handel. Aktuell untersucht die Monopolkommission die Auswirkungen dieser Entwicklung auf Verbraucher*innen und Landwirt*innen. Anlass waren die Bauernproteste und die Inflationsdebatte der letzten Jahre. Wo steht der Prozess heute?

Für viele Menschen wird der Lebensmittel-Einkauf zu einer Belastung: die Preise für Nahrungsmittel sind seit 2020 um über ein Drittel gestiegen. Der Preisanstieg liegt deutlich über der allgemeinen Inflationsrate. Auch aktuelle Preis-Nachlässe ändern das nicht, weil sie dafür zu begrenzt sind.

Marktmacht als Preistreiber

Ein wichtiger Faktor für die Probleme ist die wachsende Konzentration im Lebensmittel-Sektor, besonders im Handel. Die vier großen Ketten Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz Gruppe (Lidl, Kaufland) kontrollieren über 85% des Marktes.

Lange Zeit wurde die Verhandlungsmacht der Supermärkte hingenommen, weil man sich davon niedrigere Verbraucherpreise erhoffte. Die Probleme für die Erzeugerinnen und Erzeuger, für Beschäftigte und Umwelt wurden zu wenig beachtet. Jetzt zeigen sich zunehmend auch negative Folgen für die Verbraucher*innen. Klimabedingte Ernte-Ausfälle und geopolitische Schocks verschärfen die Lage.

Laut einer Studie im Auftrag der EU-Kommission sind Grundnahrungsmittel in Deutschland vergleichsweise teuer und der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ist stärker konzentriert als etwa in Frankreich, Polen und Belgien. Eine Auswertung der Preisvergleichs-App Smhaggle für die Süddeutsche Zeitung kam bei Marken-Lebensmitteln zu einem ähnlichen Ergebnis: diese seien in Deutschland im Durchschnitt teurer als in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Belgien.

Landwirtinnen und Landwirte im Zangengriff

Die Marktkonzentration ist nicht nur auf den Handel beschränkt. Auch bei wichtigen Inputs für die Landwirtschaft wie Saatgut, Pestiziden oder Landmaschinen dominieren wenige Unternehmen den Markt. Der globale Agrarhandel und die Verarbeitung und Lebensmittelherstellung ist in vielen Segmenten ebenfalls stark konzentriert.
Das ist nicht nur ein Problem für Verbraucher*innen, sondern auch für die Landwirtinnen und Landwirte. Hohe Preise bedeuten nicht unbedingt einen hohen oder steigenden Anteil für die Erzeuger*innen. Die landwirtschaftlichen Betriebe haben wenig Verhandlungsmacht gegenüber dem Handel oder großen verarbeitenden Unternehmen. Sie haben wenig Wahlmöglichkeiten beim Verkauf und leiden unter Preisdruck und unfairen Handelspraktiken. Etwa, dass Ware bestellt, aber nach der Ernte nicht im vollem Umfang abgenommen wird. Die Bauernproteste 2024 zeigten die schwierige Situation landwirtschaftlicher Betriebe. Sie entzündeten sich an der Abschaffung der Agrardiesel-Subvention, aber es gab auch Protestaktionen gegen den Einzelhandel.

Monopolkommission wird aktiv

Als eine Reaktion auf die Proteste untersucht die Monopolkommission aktuell die Lebensmittel-Lieferketten. Sie möchte herausfinden, wie sich die Gewinnmargen entlang den Lieferketten entwickelt haben, wer von den Entwicklungen wie profitiert und welche politischen Antworten sinnvoll sind. Die Monopolkommission ist ein Beratungsgremium für die Wettbewerbspolitik und Regulierungsfragen. Sie kann Empfehlungen abgeben, hat aber keine direkte Entscheidungskompetenz. Alle zwei Jahre veröffentlicht sie ihr sogenanntes Hauptgutachten. Das Gutachten von 2024 lieferte erste, vorläufige Ergebnisse zu den Lebensmittel-Lieferketten. Für September 2025 ist ein vertieftes Sondergutachten zu den Lebensmittel-Lieferketten geplant.

Die Zwischenergebnisse zeigen, dass es problematische Entwicklungen in den Lebensmittel-Lieferketten gibt. Demnach steigen die Preisaufschläge der Supermärkte und Lebensmittelindustrie, die Erlöse der Landwirte sinken. Kostensenkungen werden nicht vollständig an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben. 2022 stiegen die Preise in der Lebensmittelverarbeitung stärker als die (Grenz)Kosten. Es gab also in dieser Zeit der Inflation erhöhte Preissteigerungen. Die Daten enden für 2022. Wie die Preise sich seitdem entwickelt haben, konnte das Gutachten damals noch nicht beantworten. Allerdings kam es in der untersuchten Zeit von 2007-2022 zu keiner Periode zu einer Preissenkung im Lebensmitteleinzelhandel, selbst wenn es Preissenkungen im vorgelagerten Markt gab.

Insgesamt sind die Ergebnisse ein Weckruf, dass wir uns stärker mit den Machtungleichgewichten im Lebensmittel-Sektor beschäftigen müssen. Sie verdeutlichen, dass das Problem nicht erst mit dem Ukraine-Krieg und der letzten Inflationswelle begann, sondern dass es sich um eine längere Fehlentwicklung handelt.

Unsere Stellungnahme

Die Monopolkommission wollte auf Grundlage der vorläufigen Ergebnisse noch keine politischen Empfehlungen abgeben. Das soll erst mit dem Sondergutachten passieren. Im Frühjahr verschickte sie einen ausführlichen Fragekatalog an Verbände und NGOs, um von verschiedenen Seiten Einschätzungen und Reformvorschläge einzuholen.
Als Rebalance Now haben wir eine ausführliche Stellungnahme mit anderen NGOs und Gewerkschaften im Rahmen der Initiative Konzernmacht beschränken koordiniert. Die Stellungnahme beleuchtet die ungleiche Verhandlungsmacht in den Lieferketten, wobei der Einzelhandel die größte Macht hat und dieser Druck durch die Lieferkette weiter gegeben wird. Dies zeigt sich auch in der weiten Verbreitung von unfairen Handelspraktiken, durch die der Handel Risiken und Kosten auf (kleinere) Lebensmittelhersteller und Bäuerinnen und Bauern abwälzt.

Die Machtungleichgewichte in der Lieferkette schaden Verbraucher*innen, vielen kleineren Unternehmen und ihren Beschäftigten, den Bäuerinnen und Bauern. Die aktuellen Marktstrukturen fördern die Externalisierung von sozialen und ökologischen Kosten: die geringen Erlöse in der landwirtschaftlichen Produktion führen zu schlechten Arbeitsbedingungen oder geringen Umweltschutzmaßnahmen. Uns war wichtig, auch auf die internationale Dimension und die Auswirkungen für Produzierende im globalen Süden hinzuweisen.

Wir sehen zudem das Risiko, dass die Digitalisierung und die zunehmenden Expansion der Discounter und Supermärkte in die Lebensmittelproduktion (Vertikalisierung) die Marktmacht der großen Einzelhändler verstärkt. Edeka betreibt z.B. Mineralbrunnen, Backwarenbetriebe, Fleischwerke, Weinkellereien und stellt Fruchtsäfte und Pasta her. Die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) produziert Mineralwasser, Erfrischungsgetränke, Schokolade, Trockenfrüchte, Backwaren, Kaffee, Teigwaren, Speiseeis und Papier. Diese Entwicklung verstärkt die Abhängigkeiten von Herstellern und Bäuer*innen und eine Ausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion auf das dominante LEH-Oligopol.

Reformen nötig

Angesichts der starken Konzentration, der Machtasymmetrien und der weiten Verbreitung unlauterer Han­delspraktiken braucht es eine umfassende Reform-Agenda für die Lebensmittelketten. Dazu gehören aus unserer Sicht u.a. folgende Maßnahmen:

  • Fusionen im Lebensmittelsektor sollten strenger geprüft werden. Das gilt für horizontale wie für ver­tikale Fusionen. Dabei sollten nicht nur die Auswirkungen auf Preise und Verbraucher*innen be­trachtet werden, sondern auch die Auswirkungen auf die Verhandlungsmacht entlang der Lieferket­ten, auf Resilienz und Sicherheit von Lieferketten, die systemrelevante Versorgungsinfrastruktur auf regionaler Ebene und auf Nachhaltigkeit.
  • Das Bundeskartellamt sollte eine Sektor-Untersuchung des Lebensmittelsektors einleiten, insbeson­dere, wenn sich die vorläufigen Ergebnisse aus dem Hauptgutachten 2024 bestätigen. Die Sektor-Untersuchung sollte auch die Vertikalisierung und die Beteiligungen und Partnerschaften des LEH in den Blick nehmen. Dabei sollten auch strukturelle Abhilfemaßnah­men wie die Abspaltung von Unternehmensteilen in den Blick genommen werden, da das Grundproblem der hochkonzentrierte Markt ist.
  • Wir brauchen eine Verschärfung der Regeln gegen unfaire Handelspraktiken. Bisher sind nur ausgewählte Praktiken verboten, so dass die Regeln immer wieder umgangen werden können. Dies sollte durch eine Generalklausel zum allgemeinen Verbot von von unlauteren Handelspraktiken unterbunden werden. Außerdem braucht es niedrigschwelligere Beschwerdemöglich­keiten wie eine Ombudsperson. Eine Preisbeobachtungsstelle soll die Entwicklung und Zusammensetzung ausgewähl­ter Lebensmit­telpreise von der Produktion bis zum Verkauf inklusive der Gewinnmargen regelmäßig auswerten und Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten.

Wir müssen endlich anerkennen, dass wir ein Macht-Problem im Lebensmittel-Sektor haben. Die hohe Konzentration in vielen Bereichen und besonders bei Supermärkten führt zu ungleicher Verhandlungsmacht und negativen Ergebnissen für die Gesellschaft. Wir müssen dieser Entwicklung und dafür das Kartellrecht strikter anwenden. Das Sondergutachten der Monopolkommission ist ein wichtiger Schritt in dieser Debatte. Es ist zu hoffen, dass die Kommission sich traut, im September klare Empfehlungen auszusprechen.

Foto: Ralf Roletschek, Creative Commons BY-SA 3.0