Vierzehn NGOs aus ganz Europa fordern in einem heute veröffentlichten Manifest einen Kurswechsel in der EU-Wettbewerbspolitik. Die EU braucht eine ambitionierte und umfassende Agenda gegen Marktkonzentration und Monopolmacht sowie mehr Schutzmechanismen gegen den einseitigen Einfluss mächtiger Konzerne. Der bisherige Ansatz verhindert nicht effektiv, dass immer mehr Sektoren von wenigen Konzernen dominiert werden.
Das Manifest „Rebalancing Europe: A new economic agenda for tackling monopoly power“ (pdf) kritisiert die bisherige EU-Wettbewerbspolitik. Trotz einzelner, wichtiger Initiativen wie dem „Digital Markets Act“ löst sie das Problem der steigenden Marktkonzentration nicht. Die EU hat zu zögerlich reagiert, während eine Handvoll mächtiger Konzerne unser Wirtschaftsleben in den Würgegriff genommen hat. Hunderte von großen Fusionen wurden genehmigt. Das hat zu enormer wirtschaftlicher Konzentration geführt, die den Wohlstand, die Sicherheit und die Demokratie in Europa gefährdet. Unter der Konzentration ökonomischer Macht leiden Arbeitnehmer:innen und Verbraucher:innen genauso wie kleine Unternehmen und Unternehmensgründer:innen. Hochkonzentrierte Lieferketten schwächen die Resilienz Europas und die öffentliche Debatte wird zunehmend von einer Handvoll von Tech-Giganten dominiert. Die Marktkonzentration destabilisiert so die europäischen Gesellschaften und die Wirtschaft.
Die EU muss deshalb eine umfassende Agenda gegen Marktkonzentration und Monopolmacht verfolgen. Dazu schlägt das Manifest eine Reihe von Maßnahmen vor.
Die Kernpunkte im Überblick:
- Eine Kartellpolitik, die Bürgerinnen und Bürger ins Zentrum stellt und einen breiteren Ansatz verfolgt: sie soll nicht nur auf kurzfristige Effizienz und Preise achten, sondern auch auf die Auswirkungen von Monopolmacht auf Demokratie, Arbeiter:innen, Resilienz und Fragen wie Datenschutz und Nachhaltigkeit
- Die EU-Wettbewerbspolitik muss stärker mit anderen Politikbereichen wie Datenschutz oder Industriepolitik vernetzt werden
- Bessere Durchsetzung bestehender Regeln, wie dem „Digital Markets Act“ (DMA) und dem „Digital Services Act“ (DSA) sowie zusätzliche Ressourcen für deren Durchsetzung, etwa durch die Einführung von Gebühren für Techkonzerne
- Einführung zusätzlicher Instrumente gegen Monopolmacht, darunter ein Instrument zur Entflechtung hochkonzentrierter Märkte (New Competition Tool)
- Die stärkere Verwendung von klaren Prinzipien und strukturellen Abhilfemaßnahmen wie Abspaltungen sowie einer strikten Fusionskontrolle
- Eine Demokratisierung der Kartellpolitik und Maßnahmen gegen einseitigen Lobbyeinfluss durch mehr Transparenz, eine Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft in der Kartellpolitik sowie ein Vorgehen gegen die Fülle an Interessenkonflikten bei der EU-Wettbewerbsbehörde.
Zeit für eine umfassende Agenda gegen Monopolmacht
Damit der Kampf gegen Monopolmacht vorangeht, müssen wir die europäische Wettbewerbspolitik neu aufstellen und gegen einseitigen Einfluss wappnen. Die EU braucht einen stärker vernetzten und strukturellen Ansatz in der Wettbewerbspolitik. Fusionen müssen strikter geprüft werden, bei übermächtigen Konzernen dürfen Abspaltungen von Unternehmensteilen kein Tabu sein. Die Europäer:innen verdienen eine offene, nachhaltige und innovative Wirtschaft, in der Macht und Vermögen breit gestreut sind und große Unternehmen Verbraucher:innen, Arbeitende und andere Firmen nicht ausnutzen können. Auf große europäische Champions zu setzen, wäre der falsche Weg. Die Monopolmacht von großen Unternehmen untergräbt die Demokratie.
Das Manifest „Rebalancing Europe: A new economic agenda for tackling monopoly power“ wird von zahlreichen deutschen Organisationen der Zivilgesellschaft getragen. Darunter LobbyControl, Rebalance Now, AlgorithmWatch, Digitalcourage, WEED und der Aktion Agrar. Weitere internationale Unterstützer-Organisationen sind: Open Markets Institute, SOMO – The Centre for Research on Multinational Corporations, Foxglove, Balanced Economy Project, The Good Lobby, Irish Council for Civil Liberties, ARTICLE 19 und CAMP.
Den Kurswechsel in der Kartellpolitik wollen die Organisationen in den kommenden Monaten an die EU-Kommission und die Kandidatinnen und Kandidaten für das Europäische Parlament herantragen. Dazu findet am 15. April eine Veranstaltung in Brüssel statt, bei der das Manifest diskutiert wird.
Mehr:
- Das Manifest Rebalancing Europe: A new economic agenda for tackling monopoly power (englisch, pdf)
- Konferenz „Rebalancing Europe: A new economic agenda for tackling monopoly power“ am 15. April, eine Anmeldung zum Livestream ist hier möglich.