Im Folgenden ein Gastbeitrag von Dr. Silvia Weko, Postdoc am FAU Chair of Sustainability Transition Policy an der Universität Nürnberg.
Amazon ist in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen. Der ursprüngliche Online-Buchhändler erweiterte sein Unternehmen um die Bereiche Logistik, KI, Robotik, Cloud Services. Jetzt stößt Amazon auch in Energiesektor vor. Was bedeutet das für die Energiewende und die Macht von Big-Tech-Konzernen?
Digitale Energiesysteme: neue Möglichkeiten für Big Tech
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Big Tech-Unternehmen ihre Unternehmensmacht auch auf Energiesysteme ausdehnen. Sie sehen eine Gelegenheit: den Bedarf an digitaler Infrastruktur für den Betrieb sauberer Energiesysteme. Die Energiewende erfordert gut organisierte Daten über Energieangebot und -nachfrage, z. B. über die Produktionsmenge einer Windturbine oder den Spitzenbedarf für das Laden von Elektrofahrzeugen zu verschiedenen Tageszeiten. Diese Daten werden von Unternehmen wie Energiesystembetreibern gesammelt und sind deren geschütztes Eigentum. Um diese Daten zur Optimierung der Energiesysteme und zur Entwicklung neuer Innovationen nutzen zu können, sind diese Unternehmen jedoch oft auf Cloud-Dienste von Technologieunternehmen angewiesen, die Erfahrung mit dem Sammeln und Analysieren von großen Datensätzen mithilfe von KI-Techniken haben. Große Unternehmen wie zum Beispiel Siemens nutzen Cloud-Dienste, um ihren eigenen Technologie-Stack aufbauen. Big Tech argumentiert, es sei kostengünstiger und schneller, den Energiesektor mit ihrer Infrastruktur zu digitalisieren, als wenn jedes Energie-Unternehmen seine eigenen Kapazitäten aufbaut.
Diese Veränderungen führen dazu, dass die Energiewende von den digitalen Infrastrukturen der großen Cloud-Anbieter Amazon, Google und Microsoft abhängig wird. Die technologische Abhängigkeit ermöglicht Big Tech eine Ausbreitung im Energiesektor: Durch ihren Zugang zu energierelevanten Daten und Know-how im Bereich der KI kann Big Tech Wissen und damit wirtschaftliche Wertschöpfung bündeln. Bisher ist das ein blinder Fleck, weil der Fokus eher auf den ökologischen Auswirkungen von KI und anderen Technologieprodukten liegt. Dabei erfordert es dringend mehr Aufmerksamkeit, dass Big Tech seine Konzernmacht in einem strategisch sehr wichtigen Sektor ausbreitet.
Amazon und Energiesysteme
Die Studie zu Amazon zeigt, dass Big-Tech-Unternehmen ihre zentrale Position in Daten- und Innovationsnetzwerken sowie ihre KI-Kompetenzen für die Ausweitung ihrer Geschäftsbereiche und ihrer Machtposition nutzen.
Amazon sammelt wichtige Daten mit Hilfe seiner eigenen Infrastruktur: Energieanlagen, Batteriespeicher, Elektrofahrzeuge und Rechenzentren sowie von seinen Stromversorgern. Dazu erzeugt Amazon Web Services, Amazons Cloud-Dienst Daten und Informationen von anderen Unternehmen: Bei Nutzung erhalten die Anbieter die Möglichkeit, aus und mit diesen Daten zu lernen bzw. KI-Modelle zu trainieren. Amazon Web Services hält ein Drittel des weltweiten Marktanteils an Cloud-Diensten und viele Energieunternehmen nutzen bereits seine Cloud-Dienste. Darüber hinaus gehen auch klassische Energie-Unternehmen Partnerschaften mit Amazon ein.
Amazon nutzt diese Daten, um seine Dienste zu verbessern, Investitionsentscheidungen zu treffen und neue Technologien zu entwickeln. Amazon hat in den letzten Jahren Milliarden in neue Verkehrsmittel, Smart-Home-Technologien, Energiemanagement-Unternehmen, Wasserstofftechnologien und vielem mehr investiert.
Zudem investiert Amazon in innovative grüne Start-ups: Sie bekommen Kredite für die Nutzung seiner Cloud-Dienste, sodass auch ihre Technologien auf den digitalen Infrastrukturen von Big Tech basieren. Amazon entwickelt auch eigene Innovationen und hat zum Beispiel ein eigenes Team, das die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien optimiert, seine globalen Energieanlagen verwaltet und Wartungsarbeiten durchführt. Zudem entwickelt Amazon auch Innovationen mit Partnern, um Thermostate als virtuelle Kraftwerke zu betreiben oder das Laden von Elektrofahrzeugbatterien zu optimieren.
Datenbasierte Konzernmacht bekämpfen
Wie auch in anderen Sektoren ist die Digitalisierung eine Wachstumsmöglichkeit für Big Tech – andere Unternehmen können kaum konkurrieren. Seine bestehenden Kapazitäten und Infrastrukturen ermöglichen Amazon, Daten zu sammeln, KI-Modelle zu trainieren und wichtige Innovationsvorteile aufzubauen.
Andere Tech-Unternehmen expandieren ebenfalls in diesem Bereich: Google und Microsoft sind am Aufbau kritischer digitaler Infrastrukturen für energierelevante Unternehmen und andere Akteure beteiligt. Beispielsweise entwickelt Google virtuelle Kraftwerke und betreibt mit der„Moonshot“-Initiative Tapestry ein Projekt, das sich auf effizientes Stromnetzmanagement fokussiert.
Manche Beobachter*innen haben die Hoffnung, dass dezentrale Systeme wie das Internet oder erneuerbare Stromerzeugung zur demokratischen Gestaltung neigen und nicht monopolisiert werden. Wir müssen diese Ideen kritisch hinterfragen und verstehen: Wie funktionieren diese Systeme wirklich? Wer hat Macht? Wer profitiert und warum? Wenn wir hinter die Kulissen schauen, wird klar, dass die Unternehmen, die Daten und Cloud-Infrastrukturen kontrollieren, Technologien, Innovationsökosysteme und Märkte nach ihren Interessen beeinflussen können.
Um den Einfluss von Big Tech einzudämmen, müssen wir also zusätzliche politische Möglichkeiten ins Spiel bringen:
- strenger regulieren, damit es einfacher wird, zwischen den „Big Three“ zu wechseln;
- Monopole aufspalten, wie aktuell bei Google diskutiert wird;
- Alternativen schaffen, wie beispielsweise eine öffentliche Cloud.
Im Energiesektor gibt es bereits Erfahrung mit natürlichen Monopolen wie Stromnetze, die öffentlich betrieben sind. Es braucht also lediglich den politischen Willen, ähnliche Formen der Intervention auch bei weniger sichtbaren Infrastrukturen zum Einsatz zu bringen.
