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Tech-Konzerne unter Druck – ein Nachrichtenüberblick

von | 5.12.2024

Wie das US-Justizministerium Googles Monopolmacht brechen will +++ Wann das Antitrust-Verfahren gegen Meta startet +++ Wie Amazon günstigere Preise im Online-Handel verhindert +++ Warum das Bundeskartellamt die Übernahme von KI-Startups durch Microsoft nicht prüfen kann

 

1) Google: Aufspaltung rückt näher

In den USA hat das Justizministerium jetzt die Abspaltung des Browsers Chrome gefordert. Im August hatte ein US-Gericht festgestellt, dass Google ein illegales Monopol bei der Online-Suche hat. Nun geht es um die Abhilfemaßnahmen, die der Richter anordnen soll. Das Justizministerium und die beteiligten US-Bundesstaaten haben als Kläger einen umfassenden Vorschlag vorgelegt (pdf). Das Gericht soll untersagen, dass die Google-Suche über Exklusiv-Verträge etwa auf Smartphones flächendeckend als Standard voreingestellt ist. Google soll seinen Suchindex und die Suchanfragen für begrenzte Zeit lizenzieren, damit andere Suchmaschinen den von Google illegal erreichten Daten- und Qualitätsvorsprung aufholen können. Webseiten sollen mehr Möglichkeiten haben, dass ihre Seiteninhalte nicht in Googles KI-Produkten verwendet werden.

Ein Gesamtpaket gegen Googles Monopolstellung

Die Vorschläge bilden ein eindrucksvolles Gesamtpaket, das zielgenau gegen die Monopolstrategie Googles bei der Online-Suche gerichtet ist und zugleich die aktuellen KI-Entwicklungen im Blick hat. Die US-Behörden setzen nicht auf ein bisschen Schadensbegrenzung oder Geldstrafen, die Google am Ende einfach aus seinen Monopolgewinnen bezahlt. Es ist der ernsthafte Versuch, eine eingefahrene Monopolstellung im Tech-Sektor aufzubrechen. Das ist erfrischend und ein Meilenstein – selbst wenn das Gericht am Ende nicht alle Maßnahmen übernehmen sollte.

Strukturelle Maßnahmen wie die Abspaltung von Chrome sind dabei eine sinnvolle Komponente, um Googles Macht zu beschränken. In Kombination mit den anderen Maßnahmen kann so Googles Monopolstrategie gestoppt werden. Google will zentrale Zugänge zum Internet wie den Browser oder Smartphones so kontrollieren, dass die Google-Suche dort voreingestellt ist. Das sichert das Suchmonopol ab und erlaubt es Google, überhöhte Anzeigenpreise zu verlangen. In der Folge kann das Unternehmen hohe Monopolgewinne erwirtschaften, mit denen es die eigene Macht weiter ausbaut. Die US-Vorschläge wären ein wichtiger Schritt, um mehr Spielraum für alternative Online-Dienste schaffen.

Abspaltungen auch im Werbegeschäft nötig

Zusätzlich muss Googles Dominanz bei der Vermittlung von Online-Werbung aufgebrochen werden, im sogenannten Adtech-Sektor. Dazu ist ein Missbrauchsverfahren der EU kurz vor dem Abschluss. Die EU-Kommission sollte hier Abspaltungen von Teilen des Werbegeschäfts anordnen. Das hatte sie bereits im Juni 2023 angedroht und daran sollte sie festhalten. Für die neue EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera liegt eine Abspaltung noch auf dem Tisch, wie sie Anfang Dezember signalisierte.

Auch in den USA streben die Wettbewerbsbehörden eine Abspaltung von Adtech-Diensten an – das Gerichtsverfahren läuft. Am 25. November war der letzte Verhandlungstag. Ein Urteil soll in den nächsten zwei Monaten fallen. Jüngst hat auch die kanadische Wettbewerbsbehörde eine Klage gegen Google eingereicht. Sie will den Tech-Konzern ebenfalls zur Abspaltung seines Werbegeschäfts zwingen. Es wird zunehmend eng für Google.

Mehr Hintergründe zu Googles Monopolstrategie, seinem Werbegeschäft und warum eine Aufspaltung richtig ist, lesen Sie in unserer Analyse.

 

2) Weitere Monopolverfahren in Aussicht

Google ist aber nicht der einzige Tech-Konzern, der vor Gericht muss. Am 14. April 2025 startet in den USA das Antitrust-Verfahren gegen Meta wegen der Übernahmen von Whatsapp und Instagram. Im November hatte ein US-Gericht den Antrag von Meta abgelehnt, das Verfahren zu stoppen. Die Untersuchung begann bereits 2020 während Trumps erster Amtszeit. Im Oktober urteilte ein Gericht zudem, dass das Verfahren gegen Amazon weiter gehen kann. Einzelne Klagepunkte wurden aber abgelehnt. Apple kämpft noch darum, dass eine Klage des US-Justizministerium nicht vor Gericht zugelassen wird.

In Europa wird sich Amazon im nächsten Jahr wahrscheinlich einer Untersuchung der EU-Kommission stellen müssen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters will sie untersuchen, ob Amazon seine eigenen Produkte auf seinen Online-Diensten anderen gegenüber bevorzugt. Grundlage für die Untersuchung ist der Digital Markets Act, der die Macht der Tech-Riesen regulieren soll.

Auch Microsoft gerät ins Visier der Behörden: Dem Tech-Riesen wird in einer Sammelklage in Großbritannien vorgeworfen, die Nutzungsgebühren für Windows Server für Cloud-Kunden von Google, Amazon und anderen so zu erhöhen, dass die Nutzung der Microsoft-Cloud Azure günstiger erscheint. Microsoft soll offenlegen müssen, wie hoch die Mehrkosten sind und diese an die Kunden zurückzahlen. Übrigens: In der EU streiten sich Google und Microsoft gerade intensiv um mögliche Wettbewerbsbehinderungen im Cloud-Markt.

 

3) Wie Amazon günstigere Preise behindert

Eine Recherche von plusminus zeigt: Amazon nutzt seine Marktmacht dafür, dass Hersteller ihre Produkte auf anderen Plattformen nicht günstiger anbieten. Eine ehemalige Amazon-Managerin verrät, welche Praktiken der Konzern anwendet, um „Hersteller in die Knie zu zwingen“. So verschwindet die sogenannte Buy Box, wenn anderswo ein günstigerer Preis angeboten wird. Über diese wird den Kund*innen der Preis angezeigt und sie können die Ware sofort kaufen. Ohne Anzeige der Buy Box bricht der Umsatz der Händler ein.

Durch das Unterbinden besserer Angebote auf anderen Plattformen erscheint Amazon als günstigster Anbieter. Dabei habe Amazon gar kein Interesse daran, „dem Kunden einen guten Preis zu geben“, sondern lediglich „den Wettbewerbern das Geschäft wegzunehmen“, so die Ex-Amazon-Managerin. Amazons wettbewerbswidrige Praktiken schaden Verbraucherinnen und Verbrauchern, Dritthändlern sowie anderen Online-Marktplätzen. Die Recherche verdeutlicht, warum die enorme Marktmacht von Amazon beschränkt werden muss. Aktuell läuft ein Verfahren beim Bundeskartellamt zu diesen „Preiskontroll“-Praktiken.

 

4) KI-Partnerschaften von Big Tech bleiben (effektiv) ungeprüft

Das Bundeskartellamt hat sein Prüfverfahren in dem Fall Microsoft/ Inflection eingestellt. Der Fall zeigt den Reformbedarf im Wettbewerbsrecht. Bislang gelingt es den Wettbewerbsbehörden nicht, die Machtstrategien der dominanten Tech-Konzerne im KI-Sektor effektiv zu prüfen oder gar zu unterbinden. Die großen Gate­keeper wie Alphabet, Amazon, oder Microsoft versuchen, ihre Stellung durch Partnerschaf­ten oder Quasi-Übernahmen von KI-Startups auszubauen.

Microsoft hatte fast alle Angestellten des KI-Startups Inflection übernommen und zugleich eine hohe Summe bezahlt, um die Inflection-Modelle über die eigene Cloud anzubieten. Das Bundeskartellamt stuft dies „faktisch“ als Übernahme ein, die der deutschen Fusionskontrolle unterliegen kann. Das Problem: das deutsche Wettbewerbsgesetz (GWB) setzt voraus, dass das übernommene Unternehmen im erheblichen Umfang im Inland tätig ist. Dies war bei Inflection nach Einschätzung des Bundeskartellamts bisher nicht der Fall. Deshalb hat es seine Prüfung eingestellt.

Leider reicht es für eine kartellrechtliche Prüfung nicht aus, wenn ein Unternehmen absehbar in Deutschland tätig sein wird. Das ist gerade bei der Übernahme von digitalen Startups ein Problem, wenn ein Startup von einem großen Tech-Konzern gekauft wird und ein weltweites Rollout zu erwarten ist. Diese Lücke hat bereits die Prüfung des Microsoft/ OpenAI-Deals durch das Bundeskartellamt verhindert.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat dieses Jahr eine kleine GWB-Reform vorbereitet, um die sogenannte Transaktionswert-Schwelle an diesem Punkt nachzubessern. Das wäre ein sinnvoller Schritt gewesen, der durch das Ampel-Aus nun unterbleibt. Es wäre gut, wenn diese kleine, aber wichtige Reform im nächsten Jahr unter einer neuen Bundesregierung wieder auf die Agenda kommt.

Offen ist, ob das Bundeskartellamt an anderer Stelle gegen Microsoft vorgehen wird. Ende September hatte es entschieden, dass der Tech-Konzern der erweiterten Missbrauchskontrolle nach deutschem Kartellrecht unterliegt.

 

5) Lesenswertes zu KI und Digitalpolitik

Nur ein paar Hinweise, insbesondere zu KI und der wachsenden Machtkonzentration in dem Feld und den gesellschaftlichen Auswirkungen:

Der Bericht „Redirecting Europes Industrial Policy. From Competitiveness to Public Interest“ des AI Now Institute dreht sich um Europas KI-Industriepolitik. Welche Art von digitaler Zukunft, von KI will Europa? Der Report will dabei über enge Zielsetzungen wie Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität hinausgehen. In einzelnen Kapitel nimmt er sich u.a. die konzentrierte Macht in der Tech-Industrie vor oder die (problematischen) Umweltauswirkungen von KI.

Unsere US-Partner vom Open Markets Institute und die Mozilla Corporation haben eine gemeinsame Studie veröffentlicht: „Stopping Big Tech from Becoming Big AI: A Roadmap for Using Competition Policy to Keep Artificial Intelligence Open for All“. Sie blickt auf die Machtkonzentration im KI-Sektor und die nötigen Gegenmaßnahmen, damit KI nicht von einigen wenigen Tech-Giganten dominiert wird.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine englischsprachige Publikation vorgelegt, wie die EU-Kommission die Rechtsdurchsetzung gegenüber den großen Tech-Konzernen verbessern kann. Die Analyse geht davon aus, dass eine effektive Durchsetzung etwa von Datenschutzregeln nicht nur für den Schutz von Wahlen oder unseren Kindern nötig ist, sondern auch europäischen Startups und kleinen und mittleren Unternehmen mehr Chancen gibt.

 

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Foto: Mark Stuckey auf Unsplash