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Europas Chance: Entschlossen gegen Marktmacht der Techkonzerne

von | 30.10.2025

US-Techkonzerne wie Google oder Meta setzen derzeit alles daran, die Durchsetzung europäischer Regeln wie der wettbewerblichen Missbrauchskontrolle, des Digital Markets Act (DMA) und des Digital Services Act (DSA) zu untergraben. Mit Unterstützung der US-Regierung. Die Europäische Kommission darf sich davon nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil: Sie muss ein klares Signal an das Silicon Valley senden – und ihre Möglichkeiten nutzen, um den Techkonzernen endlich Grenzen zu setzen. Das laufende Google-Adtech-Verfahren könnte dabei wichtige Weichen stellen.

Bruch nach enger Zusammenarbeit der Biden-Jahre

Unter US-Präsident Biden hatten die Wettbewerbsbehörden der USA und der EU noch eng kooperiert. Die US-Regierung selbst zeigte sich damals kritisch gegenüber der Marktmacht der großen Techkonzerne. Mit Donald Trumps Amtsantritt im Januar 2025 hat sich das geändert. Trump besetzte die Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) und das Justizministerium neu, die monopolkritische FTC-Chefin Lina Khan musste gehen.

Schon kurz nach Amtsübernahme suchte Trump demonstrativ den Schulterschluss mit den Tech-CEOs. Bei seiner Antrittsfeier ließ er sich mit den Chefs von Google, Meta und Co. ablichten. Seither verteidigt er aggressiv die Interessen von Big Tech, sowohl innenpolitisch als auch global: Er mobilisiert massive Investitionen und bekämpft jegliche Regulierungsvorstöße, attackiert Gesetze anderer Länder, behindert Regulierung in anderen Ländern und drängt auf ungehinderten Marktzugang für US-Konzerne.

Digital Services Act – als Steuer und Zensur diffamiert

Diese neue US-Linie hat Folgen für die EU. Der Digital Services Act (DSA) soll Hassrede und Desinformation auf Online-Plattformen eindämmen und mehr Transparenz bei digitaler Werbung schaffen. Er verpflichtet große Plattformen wie X, Facebook und Instagram, Verantwortung für die Inhalte auf ihren Seiten zu übernehmen.

Trump aber stellt die Ziele des DSA infrage. Er bezeichnet das Gesetz als Instrument der Zensur und die Strafzahlungen bei Regelverstößen als „verdeckte Steuer“ auf US-Unternehmen.

Der politische Druck aus den USA bleibt nicht ohne Wirkung – die Durchsetzung des DSA verläuft bislang schleppend: Während die EU bereits Strafzahlungen wegen Verstößen gegen Meta verhängte, florieren auf Elon Musks Plattform X weiterhin Falschinformationen und Hassrede, ohne dass die EU-Kommission eingreift. Sie hat zwar ein Verfahren eröffnet, bisher jedoch ohne Folgen. Eine konsequente Anwendung der Regeln würde bedeuten, X mindestens mit Strafzahlungen zu sanktionieren oder notfalls vom europäischen Markt auszuschließen.

Digital Markets Act – Fortschritt mit Bremsklotz

Auch beim Digital Markets Act (DMA) zeigt sich ein gemischtes Bild. Der DMA soll Märkte mit besonders großen Techkonzernen fair und bestreitbar, das heißt für Wettbewerb offen, halten. Unternehmen wie Alphabet (Google), Amazon, Apple, Booking, ByteDance, Meta und Microsoft sind als sogenannte Gatekeeper designiert – also zentrale Torwächter digitaler Märkte. Ihre Dienste, wie Facebook, Instagram, WhatsApp oder der App Store unterliegen besonderen Pflichten. Verstoßen die Torwächter gegen den DMA, drohen hohe Strafen bis hin zur Zerschlagung.

Die Europäische Kommission hat bereits mehrere Verfahren eingeleitet und erste Fortschritte erzielt: Gatekeeper mussten Schnittstellen öffnen und Dienste stärker interoperabel gestalten. Trotz des massiven Widerstands etwa von Apple scheint die Kommission am Kurs festzuhalten. Auch zivilgesellschaftliche Akteure beteiligen sich aktiv, etwa über die DMA-Compliance-Workshops, in denen die Konzerne ihre Compliance-Berichte vorstellen. Auch wenn berechtigte Kritik an der Umsetzung der Workshops gab, sind diese gleichwohl ein Schritt nach vorne bei der Einbindung von Zivilgesellschaft.

Doch es fehlt insgesamt an Ressourcen für eine umfassende Durchsetzung des DMA. Das zeigt ein Rechtsgutachten von LobbyControl. Das bestätigt auch das Netzwerk der netzpolitischen Zivilgesellschaft EDRi, das fordert, den DMA zu stärken und auszuweiten. Und auch im Europäischen Parlament wird immer wieder Kritik an der vorsichtigen Umsetzung des DMA laut.

Google-Adtech-Verfahren: ein Zeichen der Hoffnung

Besonders vielversprechend ist vergleichsweise das Kartellverfahren gegen Google. Es könnte die Weichen für eine strukturelle Begrenzung von Marktmacht stellen. Wir begleiten das Verfahren bereits seit Längerem.

Am 5. September 2025 entschied die EU-Kommission, dass Google wegen Missbrauchs seiner dominanten Stellung im Werbegeschäft 2,95 Milliarden Euro Strafe zahlen muss. Noch wichtiger: Der Konzern muss innerhalb von 60 Tagen erklären, wie er sein Geschäftsmodell künftig wettbewerbskonform gestalten will. Google bekommt damit die Aufgabe, eine effektive Lösung für seine Interessenkonflikte vorzuschlagen.

Die Zerschlagung von Googles Werbegeschäft bleibt damit auf dem Tisch. Viele Expertinnen und Experten teilen unsere Einschätzung, dass nur eine Zerschlagung, also ein Verkauf von Unternehmensteilen, das Problem löst. Darunter ist der Vorsitzende der Monopolkommission Tomaso Duso.

Jetzt unterzeichnen: Für die Zerschlagung des Google-Monopols

Ein Weckruf für Europa

Die US-Techmilliardäre und die Trump-Administration machen keinen Hehl daraus, dass sie europäische Regeln zur Begrenzung von Marktmacht ablehnen. Trump dürfte seinen Druck auf die EU weiter erhöhen – mit wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Drohungen.

Europa ist in Teilen abhängig von US-Technologie und Rüstungshilfe, besonders im Kontext des Ukrainekriegs. Diese Abhängigkeit verschafft den USA politischen Einfluss. Doch das darf Europa nicht lähmen.

Das Erpressungspotenzial muss ein Weckruf sein. Brüssel und die Mitgliedstaaten sollten jetzt entschlossen handeln: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Bundeskanzler Merz und Frankreichs Präsident Macron müssen Wege finden, Europas digitale und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu stärken – insbesondere gegenüber den Techkonzernen.

Die EU sollte ihre Regeln konsequent durchsetzen, ihre Wettbewerbsbehörden stärken und neue Allianzen mit Staaten im Globalen Süden suchen, die sich ebenfalls gegen Monopolmacht stellen, etwa Brasilien oder Südafrika.

Es ist Zeit, die Macht der Techkonzerne zu brechen zugunsten einer offenen, freien und demokratischen Wirtschaft und Gesellschaft. Wir machen dafür weiter Druck.

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